Unser Ziel in Kalabrien heißt Scilla. Das Städtchen liegt an einer sehr interessanten Stelle,
der Straße von Messina, die das italienische Festland von Sizilien trennt.
Scilla liegt an der engsten Stelle, Sizilien ist 3 Kilometer entfernt und gut zu sehen.
Hier lebte dem Vernehmen nach
das Meerungeheuer Scylla, mit dem sich bereits Odysseus abplagen mußte.
Die Stadt verfügt über eine zum Meer hin liegende Festungsanlage, ein strategisch lange Zeit
sehr wichtiger Ort, denn wer ihn hält, kann Schiffen den ganzen Weg um Sizilien aufzwingen.
In Zeiten der Segelschiffe war das sicher mehr als lästig.
Ich habe das Hotel hier vor dem Urlaub im Internet gefunden. Um ehrlich zu sein, die Auswahl war
im Gegensatz zu anderen italienischen Orten wirklich nicht gewaltig. Es gab keine.
Ein wenig verblüfft hat uns bei der Anfahrt, daß das Navigationssystem die Straße nicht kannte.
Angekommen im Ortszentrum hat uns wirklich verblüfft, daß auch die Einheimischen die Straße nicht
kannten. Vielleicht war es einfach nur die Omerta, das Gesetz des Schweigens,
das den Einheimischen dies Verhalten Fremden gegenüber aufzwingt.
Schließlich haben wir am Ortsausgang kurz vor der Autostrada ein Schildchen gefunden, das in eine
typische, schlechte Bergstraße wies. Da bin ich dann reingefahren, habe mich eine Viertelstunde
im ersten und zweiten Gang den Berg hochgeschraubt, um dann mitten im Nichts stehen, zu wenden
und zurückzufahren. Das stimmt doch was nicht.
Wieder im Ort habe ich dann einen Jungen gesehen und noch mal gefragt. Jaja, genau, einfach
wieder drehen und den Berg rauf. Weit rauf ? Jaja, weit. Also wieder dieses Prachtstück von Berg
unter die Räder genommen und kaum eine halbe Stunde durch Wald und Macchia, 397 Haarnadelkurven
und einen mittelschweren Nervenzusammenbruch später steht ein Hotelressort in Berg und Wald vor uns.
Bei der derzeitigen Wetterlage liegt das Hotel über den Wolken, ansonsten sind
atemberaubende Ausblicke nach Sizilien möglich. Wirklich gefreut über unsere Ankunft hat
sich niemand, oder die Hotelangestellten haben eine unglaubliche Selbstbeherrschung.
Nachdem das Auto leergeräumt war, sind wir dann nochmals nach Scilla gefahren. Ich war um ersten
Mal in meinem Leben wirklich froh, daß Püppchen von der langen Fahrt ziemlich schmuddelig
war. Ich liebe eine saubere Alfa, aber hier falle ich dann doch lieber weniger auf.
Die Stadt ist wirklich recht hübsch, das Kastell liegt auf einem Felsvorsprung und teilt
das Gelände. Rechts davon befindet sich der Hafen, die Häuser sind hier direkt bis ans
Wasser gebaut, links ist ein Sandstrand mit Uferpromende.
Ich habe händeringend nach einer offenen Kirche gesucht, um direkt mehrere Kerzen bei den
jeweils zuständigen Heiligen zum Einsatz zu bringen:
Eine für die glückliche Heimkehr in die Zivilisation;
eine für Püppchen auf ihrem Parkplatz;
jeweils eine für meine Frau und mich, vorbeugend;
zwei für das Wetter;
eine für Padre Pio als generelle Maßnahme.
Die Kirchen hier sind leider nicht nur verschlossen, sie sind vergittert. Also haben wir das
gemacht, was alle Männer des Ortes machen, auf der Haupt-Piazza rumstehen oder -sitzen.
Am besten mit einem Caffe. Kein 'Buona Sierra' oder andere überflüssige Worte haben unseren
Aufenthalt begleitet.
Allerdings muß ich zugeben, daß die Orangen, die meine tapfere Frau im Supermercato gekauft
hat, die besten sind, die ich je gegessen habe. Sollte aber hier, wo sie an jedem
zweten Baum hängen, auch kein Wunder sein. Jedenfalls waren wir wirklich froh, wieder
wohlbehalten in unserem ebenfalls noch vorhandenen Auto zu sitzen.
Auch in Italien ist ein Alfasud am Straßenrand ein eher seltener Anblick. Als direkt
zwei rumstanden, habe ich angehalten, um sie zu fotografieren. Dies rief einen der
zuverlässig überall herumstehenden älteren Männer auf den Plan, der sich umgehend als Besitzer
auswies. Es war sehr schnell eine Einigkeit über folgende Sachverhalte hergestellt:
Alfa Romeo hat immer schöne Autos gebaut;
Alfa Romeo wird immer weiter schöne Autos bauen sowie
Forza Alfa Romeo !
Der Herr hat mir dann noch eine Menge über den braunen Alfasud erzählt, der wohl ein
ganz besonderes Modell ist, leider habe ich kaum etwas verstanden. Und dann meinte er,
er hätte drei Alfas, wie viele ich denn hätte ?
Anschliessend ging er auf ein Haus zu und zeigte mit einer unglaublich lässigen Bewegung zweier
Finger an, daß ich ihm folgen möge. Zum Erschrecken meiner Frau habe ich dann tatsächlich das
Haus betreten. Der Herr führte mich zu einer kleinen Garage, und da stand sein dritter Alfa,
eine weiße 75, die mal gerade so reinpasst.
Der Wagen ist in absolutem Neuzustand, hat schlappe 20.000 km auf der Uhr und
riecht sogar noch neu. Bei der Auslieferung seinerzeit hat der Besitzer darauf bestanden, daß
der bei der Montage den Teppichboden schonende Kunststoff vor der Auslieferung nicht entfernt
wird, und er ist nach wie vor noch da. Ebenfalls in Bestzustand. Wirklich unglaublich !
Stolz erzählt mir der Alte noch, daß dieser Wagen mit 2 Liter TS lange Zeit der schnellste
Wagen des Ortes gewesen ist. Was wirklich gut sein kann, denn hinter Neapel sterben Sechszylinder
schlagartig aus.
Die Garage ist Kult schlechthin, auf der einen Seite findet sich ein Wandteppich von Juve sowie
die italienische Nationalflagge in imposanter Größe,
die andere beherbergt die für das Auto zuständigen Heiligen. Auf die Frage, wer denn genau
meine Alfa beschützt, mußte ich leider passen. Aber ich habe ihm versprochen, daß Püppchen
nach der Rückkehr einen Padre Pio in die Tiefgarage bekommt. Mindestens !
Dieses Erlebnis war zwar richtig nett, aber es kann nichts darüber hinweg täuschen, das
ich mich in Kalabrien nicht willkommen fühle. Diesem Gefühl werde ich folgen.
Des weiteren halte ich es für angemessen, darauf hinzuweisen, daß man sich selbst hier im Süden bei schattigem Wetter
und Sommerkleidung selbst im Mai problemlos Erfrierungen ersten Grades zuziehen kann.